Dienstag, 27. August 2013

Netzespresso: Looks like Music - Malen wir Musik

Noten schreiben oder Musikinstrumente spielen ist nicht jedermanns Sache. Eine Installation im Luxemburger Museum Mudam lässt trotzdem jeden Teilnehmer Musik machen - besser gesagt, aufmalen. Das Projekt Looks Like Music des japanischen Künstlers Yuri Suzuki setzt dazu kleine Roboter - genannt Colour Chaser - ein, die Farben in Klänge umwandeln. Mit schwarzem Stift können die Besucher den Farbjägern ihre Reiseroute vorgeben. Und mit bunten Markierungen Töne auslösen. Der Begriff audiovisuell bekommt da gleich einen ganz anderen Dreh. Musizieren mittels Buntstift und Roboter.



Looks Like Music - Mudam 2013 from Yuri Suzuki on Vimeo.


Die visuelle Performance spielt für unsere Wahrnehmung von Musik ohnehin eine große Rolle, wie eine aktuelle Studie zeigt. Und nein, ich meine damit nicht Fälle wie Miley Cyrus bei den VMAs. Chia-Jung Tsay kam auf die Idee, Probanden die Gewinner von Musikwettbewerben raten zu lassen - und zwar auf Grundlage von Videoclips ihrer Perfomance ohne Ton. Interessanterweise gelang das denen besser als der Gruppe, die nur die Audiospur bekam. Das heißt nun logischerweise nicht, dass sie das bessere Spiel gesehen hätten - aber es belegt den Einfluss der sichtbaren Performance und Körpersprache, auch auf die Fachjurys. (Sie haben ja nicht bewertet, ob das die besseren Musiker waren. Sondern ob sie bei Wettbewerben gewonnen haben. Das ist nicht zwingend deckungsgleich.)

Freitag, 16. August 2013

Amazon, der Shitstorm und der datengestützte Zynismus - Was bleibt?

Machen wir ein Update zu Shitstorms und ihrer Halbwertszeit in der Aufmerksamkeitsökonomie: Amazon, war da was? Vor einem halben Jahr ging es rund im Netz (und auch in Medien), der Online-Versandhändler bekam nach einem Leiharbeiter-Beitrag der ARD verbal richtig aufs Dach. Dazu hatte ich einen Blog-Artikel geschrieben:

Darin schrieb ich auch: 
"Denn der Aufregung im Netz, den Abschwörungen des Kaufs bei Amazon, den wütenden und entsetzten Worten werden eben keine Taten folgen. Einen spürbaren Schaden würde es aber nur auslösen, wenn sich das Kaufverhalten tatsächlich ändern würde. Druck substanziell und nachhaltig entstünde. Was nicht passieren wird.

(...)

Wer jetzt völlig entrüstet darüber ist, dass ich unterstelle, seine Empörung werde keine Konsequenzen nach sich ziehen, nimmt bitte an folgendem Experiment teil: Ruft den elektronischen Kalender eurer Wahl auf und stellt euch eine Terminerinnerung ein für - machen wir es uns einfach - den 15.8.2013: "Meine Bestellungen bei Amazon checken". Ist der zweite Menüpunkt im Kundenkonto. Auftrag dazu: "Bestellungen seit 15.2.2013 zählen"."

Und nun? Wie sieht der Kassensturz aus?

Jeff Bezos hat gut lachen. Bild: Amazon.com
  

Haben die Menschen ihr Konsumverhalten verändert? Musste Amazon nachhaltig reagieren? Brennen die entrüsteten Kritiker noch immer vor Zorn?

Mittwoch, 14. August 2013

Kleine Kaiser, Waterloo-Ängste und Feldherrenhügel - Napoleon, der Spiegel und die Zeitungsdebatte Tag2020

Seit dem 5.8. wogt nun durchs Netz und den Spiegel-Blog die Debatte um die Zukunft der Zeitung, verhashtagt mit Tag 2020 und verschlagwortet mit Zeitungsdebatte. Inzwischen erreicht sie zunehmend ein Metastadium: Es wird mehr über die Debatte diskutiert als über ihre Inhalte. (Das ist im Übrigen in gewisser Weise typisch für dieses Thema und einer der Gründe, warum wir uns im Kreis drehen.)

Das begann schon früh, mit Thomas Knüwer, der harsch kritisierte, dass der Spiegel die Napoleon-Geschichte, nicht Schnibbens Debatten-Auftaktartikel "Breaking News" aufs Cover hob.

Hier sollten wir uns allerdings einer unbequemen Frage stellen: Hatte die Redaktion des Spiegel nicht sogar recht bei dieser Entscheidung? In dem Sinne, dass sich ein größerer Teil der Spiegel-Leser für ein so drängend aktuelles Thema wie Napoleon und die Völkerschlacht 1813 interessiert als für eine Debatte zur Zukunft der Zeitung?

Bild: Templermeister / pixelio.de


Blicken wir kurz auf die Aktivität auf SpOn zur Zeitungsdebatte, die eher Nebeneinander von Standpunkten als Debatte ist:

Unter Schnibbens "Elf Vorschläge für bessere Zeitungen" finden sich 98 Kommentare, unter seinem Text "Brauchen wir noch Tageszeitungen, und wenn ja, welche?" sind es 174. Das Forum zur Zeitungsdebatte bringt es auf 130 Beiträge. Und die einzelnen Gastkommentare? Gutjahr erreicht noch die meisten Social Shares, der Facebook-Zähler seines Texts steht auf 1200. Selbst wenn wir davon ausgingen, dass das alles überschneidungsfrei ausfällt - die Welt ist das nicht.

Kleiner Vergleich: Sascha Lobos SpOn-Kolumne Die Mensch-Maschine erreichte mit dem letzten Beitrag zur Methode Pofalla, einer Analyse "politischer Verschleierungstaktik", 240 Kommentare und 2700 Facebook-Shares.

Und dabei handelt es sich beim besten Willen nicht um ein buntes, boulevardeskes, "gut gehendes" Thema.

Dienstag, 6. August 2013

Silicon Valley ist nicht Damaskus, Springer nicht der Medienheiland

Hach ja, der digitale Vorreiterkonzern Axel Springer, der, nachdem er prägender Teil der Nachkriegs-Printmedienlandschaft war, nun die Zeichen der Zeit erkannt hat und volldigitalisiert. Samt Reise nach Silicon Valley als Damaskuserlebnis. Was für eine schöne Story.

Quelle: Screenshot aus The Story of Axel Springers Famous Garage.

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann pilgert als "geölter Berlin-Journalist" ins gelobte Silicon Valley und kommt als bärtiger Digital-Hipster zurück, der mit entschlossen zurückgeworfener Hoodie-Kappe Bild screaming and kicking in die digitale Medienzukunft zerren will, samt online verdientem Geld und 24-Stunden-Redaktion. Und Springer-Außenminister Christoph Keese, der vor seinem Kalifornien-Trip mit aller Kraft für ein Leistungsschutzrecht und gegen Google antrat, kehrt zurück und macht aus seinem Blog quasi als erste Amtshandlung einen Aggregator.

Silicon Valley als Ort der Erweckung und Umkehr (oder wahlweise Umschlagplatz für ganz harte Drogen mit seltsamen Nebenwirkungen), das wäre eine schöne Story.

Sie hat bloß leider einen Haken: Sie ist nicht wahr.

 Oder ungefähr so wahr wie Axel Springers Garage.




Denn die Bild war vorher schon genauso die trafficstärkste Medien-Site in Deutschland, der vormalige Verlag Springer schon lange auf dem Weg zum digitalen Konzern, der auch im Verlagsgeschäft tätig ist. Und Keese meint mit Aggregator im ersten Schritt, dass er dpa-Inhalte mit aufnimmt, zudem natürlich mit sauber geklärten Rechten (überhaupt gibt es diesen Blog wie seinen Twitter-Account schon lange.)

Das ist kein plötzlicher Wandel. Auch wenn der Funke-Deal ein Paukenschlag war und Diekmann nach seiner Rückkehr von einer anstehenden Revolution sprach.

Denn ganz ehrlich: Um auf die Idee zu kommen, Redaktionen zusammenzulegen und Redakteure ihre Geschichte unabhängig vom Endkanal betreuen zu lassen, muss man nicht nach Silicon Valley reisen.