Sonntag, 13. Januar 2013

Was erkennen wir, wenn wir nur Schatten sehen? Von Dschungelcamp, TV-Trash-Events und Experimenten mit sozialmedialem Schattentheater

Ein kleines Gedankenspiel rund um TV-Events, Social Media, Schattentheater und Erkenntnisgewinn – wie gut funktioniert eigentlich die sozialmediale Vermittlung von TV-Realität? Wie viel von dem, was auf dem Bildschirm geschieht, erkennen wir, wenn wir nur die Schatten sehen, die etwas auf Twitter und Facebook wirft?

Als kurzer Einstieg: Wenn wir ehrlich sind, dann heißt Social TV in Deutschland meist, dass rund um TV- und Sport-Events auf Twitter die Timelines glühen. Der Enkel des früheren Straßenfegers ist der Hashtag-Stau auf der Datenautobahn. Rund um die Ausstrahlung bestimmter Formate kommentiert Twitter-Deutschland das lineare Bildschirmgeschehen, gibt Dialoge, Beschreibungen, Kommentare zum besten. 



Was passiert, wenn man Twitter-Timelines als Skript für ein Schatttentheaterstück nutzt? Bild: R. B.  / pixelio.de

Vom Tatort mal abgesehen gelingt das Auslösen derartiger Resonanz aktuell gerade RTL besonders gut mit seinen Brot-und-Spiele-Formaten Ich bin ein Star- Holt mich hier raus! (Kürzer #ibes oder Dschungelcamp) oder Bachelor (wird durch Hashtag weder kürzer noch besser). Rund um deren Ausstrahlung kann man keinen Blick in seine Timeline werfen, ohne über Kommentare dazu zu stolpern.

Die Frage, die mir da nun in den Sinn gekommen ist, lautet: Wie viel vom TV-Geschehen bekommt man eigentlich mit, wenn man – ohne diese Shows anzusehen – nur den Schatten betrachtet, den sie sozialmedial werfen? Wie sähe das Ergebnis aus, würde man nur aus den Kommentaren, getwitterten Dialogzeilen und Beschreibungen eine Animation oder andere Art von Bewegtbild erstellen und anschließend mit dem Original vergleichen? Wie nahe wäre man dran bei der Adaption auf Grundlage der Netzresonanz?
 
Mich würde, rein als Experiment, wirklich interessieren, was dabei herauskommt, wenn man mit Twitter als crowdgesourctem Stückeschreiber gewissermaßen ein Schattentheater inszeniert. Und das dann mit dem Original vergleicht.

Was erkennen wir, wenn wir nur Schatten sehen?

Vielleicht sollte man es tatsächlich auch ganz praktisch als Schattentheater, Schattenspiel umsetzen. Das wäre zum einen in der Umsetzung nicht ganz so aufwendig, zum anderen würde es auch einen schönen Kontrast zwischen dem ästhetischen Anspruch von Original und Adaption darstellen.

Verstehen wir, was passiert, wenn wir nur Schatten sehen? Werden der Kern, das Wesen dessen, was sich abspielt, transportiert? Oder verzerren die Schatten zu sehr, bleibt zu viel im Dunkel? Vermutlich dürften manche Figuren plastischer werden, andere fast verschwinden. Interessant wäre, ob die Dramaturgie sichtbar wird, wieviel der medial inszenierten Wirklichkeit (denn die Formate sind ja auch dramaturgisch verformt und bilden nicht 1:1 das tatsächliche Geschehen ab) im Schattenspiel bestehen bleibt. Oder ob nur kontur- und kontextlose Schemen dabei herauskommen, ein absurdes Theater.

Es wäre eine Art Test, wie gut sozialmedial vermittelte TV-Realität funktioniert, oder ganz allgemein die Informationsübertragung über Medienebenen hinweg. Bei Fußballspielen, anderen Sportveranstaltungen oder auch manchen Dokus reicht der crowdgesourcte Liveticker im Netz ja oft aus, um das Geschehen nachvollziehen zu können.

Das sind aber klar in Informationseinheiten einteilbare Ereignisse. Hier ginge es darum, wie gut das bei Fiction oder Pseudo-Reality-Formaten funktioniert. Die genannten RTL-Shows würden sich aufgrund ihres Leuchtturmcharakters eignen. Zu ihnen gibt es genug Resonanz, genug Abstrahlung im Netz. Zum anderen hätte es einen gewissen Witz, anhand von anspruchslosen Trash-Formaten erkenntnistheoretische Experimente durchzuführen.

Das Zwinkern der Höhlenbewohner

Der ein oder andere mag sich an Platons Höhlengleichnis erinnert fühlen, wenn ich von Schatten, dem Vergleich mit der eigentlichen Wirklichkeit und Erkenntnisgewinn rede. (Wir Menschen sehen nur Schatten der Wirklichkeit, brutalstmöglich verkürzt. Kompletter Text hier.) Das hakt allerdings insofern, dass Dschungelcamp oder Bachelor wohl denkbar ungeeignete Subjekte sind, um in ihnen tiefere Wahrheiten zu finden. Mal abgesehen von den Untiefen der menschlichen Natur und den Dingen, die Menschen bereit sind, für Geld oder Bildschirmpräsenz zu tun. 

(Zudem tue ich mir schwer damit, in diesem Bild diejenigen, die gefesselt und bewegungsunfähig im Dunkeln nach vorne starren, ausgerechnet in denen zu sehen, die nicht vor dem Fernseher sitzen.)

Nichtsdestotrotz: Ziel der Übung wäre Erkenntnisgewinn.

Fühlt sich denn wer berufen, das mal auszuprobieren? Ich kann nicht wirklich Animationen erstellen. (Und eigentlich will ich mich auch nicht durch Folgen von Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! oder Bachelor quälen, würde das aber zugunsten des Experiments auf mich nehmen.)

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