Dienstag, 31. Juli 2012

Olympia und die Unsportlichkeiten von NBC oder "Unser Publikum ist zu blöd für einen Livestream"

Willkommen zu den digitalen Spielen: So viel Online wie jetzt zu London 2012 war bei Olympia noch nie – allein während der Eröffnungsfeier zählte Twitter 9,66 Millionen Tweets.  Und ARD und ZDF sind ganz vorne dabei, wenn es um den trimedialen Wettkampf und das Online-Streaming der Spiele geht – wie Kollegin Lena Herrmann lobend feststellt.

Interessanterweise schlagen sich die alten Damen ARD und ZDF (wie auch ihre britische Cousine, die BBC) dabei weit besser als der US-Sender NBC. Denn während hierzulande im Wesentlichen der VPRT über ARD und ZDF grummelt, hielt sich #NBCfail übers Wochenende hartnäckig als Trending Topic bei Twitter.

Mir ist bewusst, dass ich mit einem Text zu NBCfail eher spät dran bin, das passt zum Thema aber irgendwie ganz gut. Denn losgetreten hat den Netz-Ärger über die Olympia-Berichterstattung NBCs Festhalten an der zeitverschobenen Ausstrahlung von Aufzeichnungen. Die Eröffnungszeremonie etwa gab es erst Stunden später im TV, als Livestream war sie nicht mal im Netz zu sehen. Und die jetzt live gestreamten Sportarten setzen ein kostenpflichtiges Kabelpaket voraus. NBCs Fokus liegt auf den Stunden später in der TV-Prime-Time ausgestrahlten Sahnestücken, also den Sportarten mit guten amerikanischen Medaillenchancen. Die darf sich das Fernsehpublikum dann mit stundenlanger Zeitverzögerung als Abendprogramm ansehen. 

Das ZDF dagegen war bei der Eröffnungsfeier mit parallelem Livestream in der Mediathek vorbildlich multimedial. Die Mainzer demonstrierten sogar eindrucksvoll die Vorteile des Digitalabrufs - im Livestream konnte man sich als Zuschauer den Kommentar von Wolf-Dieter Poschmann samt flankierender "Experten" ersparen. Selten hat Web-TV so klar gepunktet. (Nochmals danke für den Mediathek-Hinweis an @KathrinM.)

Dienstag, 24. Juli 2012

Social TV mal anders - Wie Show-Produzenten und Sender das Netz einsetzen können

Wenn es um das Zusammenspiel von TV und Web oder generell um die Weiterentwicklung des Fernsehens geht, ist ein aktuell viel gebrauchtes Schlagwort Social TV. Meist geht es dabei dann darum, wie sich die ohnehin stattfindenden Gespräche der Zuschauer auf Twitter und Facebook bündeln und einhegen lassen, wie Programm-Check-Ins & Co. zur Fanbindung und Steigerung der Loyalität eingesetzt werden können.

Das ist alles interessant, ich will jetzt aber in eine etwas andere Richtung denken. Weg vom Einhegen, hin zum multimedialen Storytelling und der Kommunikation. Und ich rede hier jetzt nicht über die anderen Möglichkeiten, die Webshows bieten, sondern darüber, wie Produzenten und Sender bei klassischen TV-Programmen diese Plattformen einsetzen.

Quelle: AMC

Es geht darum, wie normales TV das Netz einsetzen kann, um offener und interaktiver zu sein, Geschichten anders erzählen zu können. Erläutern werde ich es an einer Reihe von Beispielen. Und es dürfte nicht überraschen, dass die fast ausschließlich aus dem US-Bereich stammen.

Mittwoch, 18. Juli 2012

YouTube-Serie H+: Bryan Singer zeigt die Welt am Abgrund - und die Zukunft des TV

Am 8. August beginnt der von Produzent Bryan Singer (Dr. House, X-Men) inszenierte Weltuntergang. Da feiert seine neue Serie H+ Premiere. Und zeigt neben einer Welt am Abgrund auch eine mögliche Zukunft des TV. Denn H+ The Digital Series wurde für Googles Videoportal YouTube produziert und läuft auch exklusiv dort.

Zu Beginn sehen wir eine Welt, in der sich Menschen via Implantat mit dem Internet verbinden können. Kein Smartphone, keine AR-Brillen, sondern die direkte Verknüpfung mit dem Netz, bedient durch Augenbewegungen und Gesten. Diese schöne neue Interface-Welt hält indes nicht lang - denn das H+-Netzwerk fängt sich einen Virus ein. Und die Implantats-Version des Bluescreens of Death löscht mal eben ein Drittel der Menschheit aus.

H+ als Serie widmet sich dieser apokalyptischen Welt, der Frage, wie die Überlebenden klar kommen und was oder wer hinter der Katastrophe steckt. Im Trailer sieht das beeindruckend, bedrückend und nachhaltig spannend aus:



Singer, der bislang nicht zu den üblichen Verdächtigen bei Web-Serien gehörte (Tschuldigung, flacher Witz), folgt damit einem Trend: dem Produzieren exklusiver Inhalte für das Netz statt für TV-Sender. 

Mittwoch, 11. Juli 2012

Wenn Werbeprofile schiefgehen – Mein Freemail-Dienst hält mich für einen Serienkiller


Die Daten, die jeder von uns so online hinterlässt, sagen einiges über uns aus. Eigentlich. Aus dieser Datenflut lässt sich durch Profilierung, Cookies, Targeting einiges herauslesen, Werbung aussteuern, für die wir genau im definierten Zielsegment liegen. Eigentlich.

Deshalb wurde ich stutzig, als ich im Logout-Bereich meines Freemail-Dienstes zufällig folgendes Werbemotiv sah: 

 
"Befriedigen Sie jetzt Ihre Lust auf fremde Haut"? Tschuldigung, was? Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei mir weckt das eher Assoziationen an Buffalo Bill als an Seitensprünge. Und damit meine ich nicht den skalpierenden Wildwest-Showman, sondern den Psycho aus Schweigen der Lämmer. Den, der Frauen die Haut abzieht, um sich eine Weste draus zu schneidern. 

Daraus folgt für mich die unangenehme Erkenntnis: Mein Freemaildienst-Vermarkter United Internet Media hält mich offenbar für einen Psychopathen, einen verkappten Serienkiller. Das kränkt irgendwie.

Montag, 9. Juli 2012

Planetary Resources und die Kickstarter-Kampagne fürs eigene Weltraumteleskop


Es gibt Neuigkeiten von den Asteroidenschürfern bei Planetary Resources: Das Unternehmen von Peter Diamandis und Eric Anderson knobelt an einer Kickstarter-Kampagne für seine Weltraumteleskope, also einem Crowdfunding-Prozess, bei dem sich jedermann mit überschaubaren Beiträgen an der Finanzierung beteiligen kann. 

Planetary Resources, zur Erinnerung, will binnen zwei Jahren die ersten privaten Weltraumteleskope starten, um danach via Sondenschwärmen auf Asteroiden nach Edelmetall und Wasser zu schürfen. (Mehr über Planetary Resources hatte ich hier geschrieben.)


Quelle: Planetary Ressources


Die Kickstarter-Idee enstand nicht zwingend, weil sie das Geld so dringend bräuchten - zu ihren Investoren zählen ja immerhin auch Eric Schmidt und Larry Page von Google. Als Aktion hängt das eher irgendwo zwischen Community-Bindungsmaßnahme und zusätzlicher Kapitalgenerierung, um mehr Dampf zu machen. Die Idee ist nämlich, Nutzern gegen Geld entweder Nutzungszeit der Weltraumteleskope (namens Arkyd-100) zur Verfügung zu stellen oder gleich weitere zu bauen.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Supermarkt-Shoppen mit dem Smartphone - IBMs Augmented Reality App als mobiler Einkaufsführer

Wenn künftig durch den Supermarkt irrende Gestalten nicht auf den Zettel in ihrer Hand, sondern durch ihr Smartphone auf die Regale starren, dann könnte das an IBM liegen. Deren Labs in Haifa entwickeln nämlich gerade eine Augmented Reality Mobile Shopping App. (Was habt ihr erwartet, IBM war noch nie gut darin, sich einprägsame Produktnamen auszudenken). 

Loggt der Nutzer sich im Supermarkt ein und gibt Kriterien für die Produkte an, die er kaufen will, dann werden ihm die entsprechenden Artikel im Display markiert und Zusatzinformationen eingeblendet, so er durch die Smartphone-Kamera auf die Regale blickt.

Bild: Jon Simon/Feature Photo Service for IBM

Die Möglichkeiten gehen dabei deutlich über ein "wo habt ihr schon wieder das verflixte Müsli hingestellt?" hinaus. Nutzer sollen in ihrem Profil etwa hinterlegen können, wogegen sie allergisch sind oder was sie schlicht nicht mögen. Was sie bevorzugen (über Marken und Öko-Produkte bis hin zur Verpackungsart) oder ob sie innerhalb bestimmter Preissegmente einkaufen wollen. Auch die zusätzlich eingebaute Digitaluhr unserer Zeit, Facebook Connect, steht natürlich zur Verfügung: Auf Wunsch lässt sich das Programm mit den eigenen Accounts in Sozialen Netzwerken verbinden, um Produktempfehlungen und -Bewertungen der Freunde zu sehen. Die App ist  dabei an den jeweiligen Laden gebunden - dort registriert sich der Nutzer, dort checkt er ein.

Montag, 2. Juli 2012

Leistungspflicht statt Leistungsschutzrecht: Was Verlage eigentlich tun sollten


Fangen wir mit dem No-Brainer an: Die Medienbranche, insbesondere die Verlagshäuser, befindet sich mitten in einem Umbruchprozess. Wenn es allerdings um Konzepte geht, wie sie den digitalen Umbruch meistern und Online (wie auch Offline) geschäftlich erfolgreicher sein und mehr Umsatz erzielen können, ist die momentan auffälligste Idee das schwer umstrittene Leistungsschutzrecht. Garniert mit "Paid Content kommt ganz sicher"-Bekenntnissen.

Dabei wäre Hirnschmalz und Energie in die Weiterentwicklung von Projekten und Strukturen besser investiert. So könnte sich die Branche selbst helfen, statt offensiv dieses Konstrukt zu verfolgen, das ein wenig so wirkt, als hätten Manager irgendwo Jeff Jarvis’ Begriff Link Economy aufgeschnappt und gnadenlos falsch verstanden (Mit für Links zahlen hat das nämlich nichts zu tun.).

Von wegen alternativlos. Ein paar Vorschläge anbei.
Wie im Text zu Leistungsschutzrecht: Nicht Füllhorn für Verlage, sondern Büchse der Pandora (Langer LSR-Rant ist lang) schon angekündigt, im folgenden einige Zeilen dazu, worin Verlage ihre Zeit und Energie mit mehr Gewinn stecken könnten.